Erika  Stöckl                                                                                 Landshut, 12.07.2007
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Bayerisches Staatsministerium des Inneren
Sachgebiet Ic2
Odeonsplatz 3

80539 München

 

 

Betreff: Art. 37 Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG); Halten gefährlicher Tiere

Anlagen: 1 Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde e.V.
 

Sehr geehrte Damen und Herren,

zunächst möchte ich mich kurz vorstellen: Mein Name ist Erika Stöckl, ich bin Autorin von mittlerweile fünf Fachbüchern über tropische Riesenschlangen und seit 2001 aufgrund einer Empfehlung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz (so die damalige Bezeichnung) für die Veterinärämter in Bayern als Sachverständige für Schlangen tätig. In dieser Eigenschaft habe ich auch schon die Sicherheitsbehörden bei der Beschlagnahme von Kobras und anderen hochgiftigen Schlangen unterstützt. 

Meine Passion gehört jedoch einem harmlosen Reptil, der Abgottschlange (Boa constrictor).

Ich züchte diese Tiere und treibe damit auf gewerblicher Basis Handel. In aller Bescheidenheit darf ich sagen, dass meine Boa constrictor Zucht von Kennern als eine der bedeutendsten weltweit eingestuft wird. Mein Internetauftritt www.boa-constrictors.com verzeichnet im Schnitt etwa 1200 Zugriffe (Stand Mai 2007) täglich.

Der Grund, warum ich mich an Sie wende, ist die pauschale Einstufung von Boa constrictor – Schlangen als „gefährliche Tiere einer wildlebenden Art“ im Sinne des Art. 37 LStVG, getroffen im Rahmen der „Fortgeschriebenen Beispielliste“ zu dieser Bestimmung.

Hierzu ist zu sagen, dass Bayern und Berlin die einzigen Bundesländer sind, in denen diese Spezies als gefährlich klassifiziert und damit Kampfhunden gleichgesetzt wird.

Wie Sie vielleicht wissen, erlebt die private Haltung exotischer Tiere zur Zeit einen bisher nie gekannten Boom. In Großbritannien sind die Exoten mittlerweile sogar dabei, den Hund von Platz zwei der beliebtesten Haustiere zu verdrängen, was der Illustrierten Stern einen ausführlichen Bericht wert war (Heft 25/2005). In Deutschland ist eine ähnliche Entwicklung zu verzeichnen, so dass bei den Exoten - Haltern nicht mehr von einer Randgruppe gesprochen werden kann.

Seit Beginn der Terraristik gehört Boa constrictor zu den beliebtesten und am häufigsten gehaltenen Terrarientieren. Dies vor allem auch wegen ihres fügsamen und ruhigen Charakters.

Tatsache ist auch, dass es noch nie einen ernsten Zwischenfall mit so einer Schlange gegeben hat.

Dennoch wurden diese Tiere, wie bereits erwähnt, in Bayern als gefährlich eingestuft. Der Grund hierfür ist, dass laut Literatur die größte bisher gefundene Boa constrictor eine Länge von 5,60 m aufwies.

Diese Angaben gehen zurück auf das 1958 erschienene Buch "Snakes in Fact and Fiction" von James Oliver. In diesem Werk gibt Oliver eine Rekordlänge von 18 Fuß, 6 Zoll (mehr als 5.5 Meter) für eine auf Trinidad getötete (angebliche) Boa constrictor an, gemessen von Colin Pittendrigh, der während des Zweiten Weltkrieges im Auftrag der Rockefeller Foundation im Regenwald Trinidads Malaria Kontrolluntersuchungen durchführte.

Allerdings handelte es sich bei dem getöteten Reptil nicht um eine Abgottschlange (so die deutsche Bezeichnung für Boa constrictor), sondern um eine Grüne Anakonda (Eunectes murinus) die fälschlicherweise für eine Boa constrictor gehalten wurde.

Es ist der Verdienst von Hans E. A. Boos, dass dieser Irrtum 1992 aufgeklärt wurde. Boos ist der ehemalige Kurator des Emperor Valley Zoo auf Trinidad und Autor von vielen Veröffentlichungen, darunter das Buch „The Snakes of Trinidad and Tobago“. 

Boos konnte nicht nur dokumentieren, dass Pittendrigh den Unterschied zwischen einer Boa constrictor und einer Anakonda nicht kannte, sondern er sprach auch noch mit einem Mitarbeiter Pittendrighs der bei der Tötung der Schlange dabei war und der bestätigte, dass es sich um eine „huille“ (die örtliche Bezeichnung für eine Grüne Anakonda - Eunectes murinus) gehandelt hatte und nicht um eine „macajuel“ (Boa constrictor).

Die entsprechende Literatur kann von mir jederzeit vorgelegt werden. Ich wurde bei den Recherchen für mein neues Buch „Reinrassige Boa constrictor“, das in Kürze (auch in englischer Sprache) erscheinen wird, auf diesen Sachverhalt aufmerksam.

Leider hält sich die Mär von der 5,50 m langen Boa constrictor bisher hartnäckig in der wissenschaftlichen Literatur.

Fakt ist, dass die wenigsten in der Terrarienhaltung gepflegten Boa constrictor länger werden als 2m. Die meisten bleiben kleiner. Das trifft vor allem auf Boa constrictor imperator (eine der acht Unterarten von Boa constrictor) zu. Es gibt Varietäten von Kaiserboas, die nicht einmal 1,30m Länge erreichen, wie z. B. eine im mexikanischen Bundesstaat Chihuahua beheimatete Boa c. imperator.

An dieser Stelle möchte ich auch aus dem im Juni 2007 in den USA erschienen Buch „The Complete Boa Constrictor“ (ECO Herpetological Publishing) von Vincent Russo, einem bekannten amerikanischen Züchter und Feldherpetologen zitieren. Auf Seite 31 heißt es:

„I personally have measured hundreds of large boas and I have never seen even one that has come close to ten feet“.

Wie mir gesprächsweise vom zuständigen Sachbearbeiter einer großen bayerischen Kommune mitgeteilt wurde, war in einem ersten Entwurf für die „fortgeschriebene Beispielliste“ der gefährlichen Tiere die Unterart Boa c. imperator ausgenommen. In einem zweiten Entwurf, der schließlich Gültigkeit erlangte, wurde Boa constrictor pauschal als gefährliches Tier eingestuft.

Der Sachbearbeiter ließ mich wissen, dass diese Rechtslage bei den Ordnungsämtern der Gemeinden  in Bayern einen hohen Arbeitsaufwand verursacht, da eine immer größer werdende Zahl von Boa constrictor Liebhabern einen Antrag auf eine „Haltungsgenehmigung für gefährliche Tiere“ stellen. Die Erteilung dieser Genehmigungen (bzw. auch deren Ablehnung) ist mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden.  

Der genannte Sachbearbeiter, der meiner Ansicht nach nicht nur ein hervorragender und sehr kenntnisreicher Verwaltungsbeamter ist, sondern auch ein guter Kenner der Materie, vertritt die Auffassung, dass zumindest die Unterart Boa c. imperator aus der Liste der gefährlichen Tiere herausgenommen werden sollte. Auch Herr Fuchs, bis zu seinem Ruhestand Sachverständiger für Reptilien bei der Zoologischen Staatssammlung in München, schließt sich dieser Meinung an und ermutigte mich, in dieser Sache die Initiative zu ergreifen.

Ich bitte Sie deshalb, die „Fortgeschriebene Beispielliste“ in der Weise fortzuschreiben,  dass Boa c. imperator (wie es in den so genannten „Oktober Entwurf“ des Anhangs zum Artikel 37 LStVG vorgesehen war) aus der Liste der  gefährlichen Tiere herausgenommen wird.

Dies wäre auch im Sinne jener bayerischen Zoohändler, die Reptilien in ihrem Sortiment haben und aufgrund dieser  Regelung Umsatzeinbußen hinnehmen mussten.

Zudem wurde im Jahr 2002 erstmals eine Gruppe von Boa c. sabogae nach Deutschland eingeführt. Dabei handelt es sich um eine nach dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen anerkannte Unterart von Boa constrictor. Diese klein bleibende Inselform stammt von den so genannten Pearl Islands vor der Küste von Panama. Adulte Tiere werden selten länger als 1,60 m.

Mittlerweile wurde diese Unterart bereits zweimal nachgezüchtet. Mischlinge von diesen Tieren existieren nicht. Ich rege daher an, auch diese Unterart von dem Haltungsverbot auszunehmen.

Die Beispielliste könnte also – bezogen auf Boa constrictor - so aussehen:

Abgottschlange (Boa constrictor – alle Unterarten außer Boa c. imperator und Boa c. sabogae).

Für weitergehende Auskünfte stehen Ihnen mein Ehemann Hermann Stöckl (der ebenfalls aufgrund einer Empfehlung des eingangs genannten Ministeriums für die Veterinärämter in Bayern als Sachverständige für Schlangen tätig ist) und ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen

Erika Stöckl