Boa Biss
März 2010
Wir werden häufig von Einsteigern in die Schlangenhaltung gefragt, wie schlimm der Biss einer Boa constrictor ist.
Unsere Freundin Doreen hat Sa Sa, ihre Boa c. sabogae NZ 08 gebeten, für ein aufklärendes Foto einen Biss anzubringen.
Wir danken Doreen, die inzwischen wieder aus der Intensivstation entlassen wurde* und Sa Sa für ihre Bemühungen.
* Späßchen!
Neue Art "Boa imperator"?
Es ist ein bekanntes Sprichwort, dass jede Woche eine andere Sau durchs Dorf getrieben wird. Das trifft auch bei Boa constrictor zu.
Da wir die größte Seite über unverfälschte Wildformen von Boa constrictor (so genannte „Reinrassige Boas“) im Internet betreiben und amtlich bestellte Sachverständige für Riesenschlangen sind, werden wir häufig nach unserer Meinung gefragt, was dieses oder jenes Boa constrictor - Thema betrifft.
Mal ist es ein völlig korrektes österreichisches Gerichtsgutachten über die „Reinrassigkeit einer Rotschwanzboa“, das auf einer Internetseite wissentlich (oder aus Ignoranz) falsch interpretiert wird, mal sind es neue Ansichten bezüglich der Haltung und Pflege, mal ist es eine neue Veröffentlichung, welche die taxonomische Einordnung von Boa constrictor betrifft (z. B. Artstatus fürBoa c. nebulosa und Boa c. orophias).
Es wird von uns oft erwartet, dass wir zu jedem schöpferischen Erguss, der auf einer anderen Internetseite oder in einem Reptilienforum zu lesen steht, auf unserer Seite Stellung nehmen. Ehrlich gesagt, da hätten wir viel zu tun und diese Zeit wollen wir lieber unseren Tieren und Themen widmen, die Substanz haben.
An dieser Stelle wollen wir jedoch mal eine Ausnahme machen, weil sich die Anfragen häufen. Es geht um das vor einigen Monaten verbreitete Paper einiger tschechischer Autoren, die in ihrer Arbeit Boa c. imperator in den Artstatus erheben und Boa c. longicauda sowie Boa c. sabogae in diese neue Art „Boa imperator“ integrieren.
Es ist für uns nachvollziehbar, dass Internetseiten, die sonst wenig zu berichten haben und unsere allseits beliebten „Tempel der Weisheit“ (gemeint sind die Reptilienforen) sich wie hungrige Wölfe auf dieses Paper gestürzt haben, um diese „sensationelle Entwicklung“ möglichst als erste zu verbreiten. Da leidet natürlich die Kritikfähigkeit darunter.
Um es deutlich zu sagen: Wir sind Züchter und keine Taxonomen. Uns ist es vollkommen egal, ob wir unverfälschte Wildformen von Boa c. longicauda oder unverfälschte Wildformen von "Boa imperator" aus Tumbes/Peru züchten.
Weshalb haben wir dann unsere Seite nicht geändert? Ganz einfach: weil bei uneuphorischer Betrachtung dieses Paper einen dicken Pferdefuß hat, den jeder aufmerksame Laie, der des Englischen mächtig ist, sofort erkennt: Bei den meisten für diese Arbeit genetisch untersuchten Boa constrictor wurde die Herkunft nicht verifiziert.
(„The breeders vouched for the origin and purity of pedigree of the remaining 70 boas sampled, but we did not independently verify this information” )
(Die Züchter verbürgten sich für die Herkunft und die Reinheit der Abstammung der restlichen 70 Boas, aber wir haben diese Information nicht überprüft).
Das dürfte auch der Grund oder einer der Gründe gewesen sein, warum die Autoren ihr Paper im ZOOLOGICAL SCIENCE Journal der Zoological Society of Japan veröffentlicht haben (oder sollen wir besser sagen: veröffentlichen mussten?).
Tschechen die in einem japanischen Journal veröffentlichen. Wie kommt das?
Damit sind wir beim impact factor. Bei den wissenschaftlichen Journalen gibt es ein Rating, den „impact factor“. Die wirklich wichtigen Publikationen erscheinen meist nur in den "high impact papers " wie "Nature" oder "Science". Von daher werden diese Wissenschaftsmagazine auch am meisten abboniert und gelesen.
Solche „high impact papers“ haben jedoch einen Nachteil: Sie bemühen sich in besonderem Maß um die Qualität der Publikationen, die sie veröffentlichen. Ist das Paper (oder das für die Arbeit verwendete Material) unzureichend, wird es abgelehnt, bzw. mehrmals zur Verbesserung zurückgegeben.
Im ersten Fall versucht dann der Autor, sein Paper bei einem Journal mit einem niedrigeren impact factor unterzubringen. Klappt es dort auch nicht, geht es im Rating immer weiter nach unten, bis sich schließlich ein Journal findet, das mangels angebotenem Material weniger kritisch hinsieht.
Jetzt ist der richtige Moment, sich die impact factors von Nature, Scienceund dem ZOOLOGICAL SCIENCE Journal der Zoological Society of Japananzusehen:
Impact factorNature: 31.210
Impact factorScience: 30.268
Impact factorZOOLOGICAL SCIENCE (Japan): 1.100
Tja….
Für eine solche wissenschaftliche Arbeit sollte man halt Proben von Tieren möglichst im Verbreitungsgebiet nehmen. Und wenn das nicht geht, von Tieren deren Abstammung sich zurückverfolgen und verifizieren lässt. Das ist hier nicht geschehen.
Im übrigen wagen wir zu bezweifeln, dass sich die Autoren für die korrekte Abstammung der untersuchten Tiere die Hand abhacken lassen würden :o)
Unser Fazit: Ob die Ergebnisse der Autoren richtig oder falsch sind, können wir nicht beurteilen, da wir weder studierte Biologen noch Zoologen sind. Aber wir sind sicher, dass dieses Paper aus den oben genannten Gründen an der bestehenden Taxonomie hinsichtlich Boa constrictor nichts ändern wird.Da muss schon eine andere wissenschaftliche Arbeit her.
Erfreulich ist, dass wir es uns sparen können, diesen Bericht ins Englische zu übersetzen, weil das Paper, von dem hier die Rede ist im englischsprachigen Internet bisher nicht zur Kenntnis genommen wurde.